FREUNDE unterstützen Tiefbohrung im Hallstätter See!

Ein tiefer Einblick in die Vergangenheit des Hallstätter Sees

Auf dem Hallstätter See wird eine neu entwickelte Bohrplattform zum Einsatz gebracht. Das Projekt Hipercorig Hallstatt History (H3) hat zum Ziel, die komplette Sedimentabfolge im Hallstätter See, die sich seit dem Rückzug des Traun-Gletschers im See abgelagert hat, zu erbohren. Damit wird es möglich sein, die Klima- und Umweltgeschichte des Inneren Salzkammerguts über die letzten 10.000 bis 12.000 Jahre zu erschließen.

Hierzu müssen in über 100 m Wassertiefe Sedimentbohrkerne von deutlich über 40 m Länge entnommen werden. Diese Bohrtiefe war bislang nicht erreichbar, kann nun aber mit der neuen Bohrvorrichtung der Firma Uwitec sogar überschritten werden.

Das Tiefbohrprojekt wird von den Freunden des Naturhistorischen Museums Wien, der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert. 

Der Projektstart erfolgte am Montag 19.04.2021. Zunächst galt es innerhalb einer Woche die Bohrplattform aufzubauen, die immerhin aus knapp 2500 Einzelteilen besteht. Dies gelang reibungslos und so konnte die Plattform bereits am Freitag auf den See gebracht und verankert werden.

 

1 Plattform verpackt  Aufbau 1

Die Hipercorig-Bohrplattform verpackt in vier Container.

 

Aufbau 4

Der Aufbau der Plattform dauert etwa eine Woche, hier ein Zwischenstadium.

 

Plattform Verankert klein

Nun ist die Plattform auf dem Hallstätter See verankert und die Bohrungen verlaufen äußerst erfolgreich. Das technisch bedingte Bohrlimit von 16 m konnte überwunden werden und es wurden (mit Stand 30.04.2021) 30 m Sedimentabfolge in über 100 m Wassertiefe erbohrt.

Hintergrund der Forschungen
Die ältesten Funde aus dem Bergwerk Hallstatt und dessen Umgebung sind 7000 Jahre alt. Sie belegen damit eine sehr frühe Salzgewinnung. Wie sich der Salzbergbau von diesen ersten Anfängen in der Steinzeit bis zum bronzezeitlichen Bergbau (ab 1300 v. Chr. nachgewiesen) entwickelt hat, kann aktuell noch nicht gesagt werden. Untersuchungen in einem Moor (Siegmoos) oberhalb des Salzbergtales zeigen aber, dass ab 4300 v. Chr. bis heute eine ständige menschliche Präsenz vorhanden war (Festi et al. 2021; Knierzinger et al. 2021).
Der bronzezeitliche Bergbau wurde um 1061 v. Chr. durch einen Erdrutsch unterbrochen (Grabner et al. 2021). Der darauffolgende Bergbau erreichte gigantische Dimensionen und schaffte Abbaukammern von 300 Metern Länge und bis zu 20 Metern Höhe (Barth & Reschreiter 2019). Auch dieser Betrieb wurde um 662 v. Chr. verschüttet (Grabner et al. 2021). Der Neubeginn der Salzproduktion erfolgte unmittelbar danach. Weitere Erdrutsche folgten. Die Hallstätter Gemeinschaften und ihr Netzwerke jedoch so stabil, dass ein Wiederaufbau der Infrastruktur und ein Neubeginn im Bergbau jedes Mal möglich war – bis heute.
Über die letzten Jahre wurden im Rahmen des interdisziplinären Facealps-Projekts (gefördert durch ÖAW, Freunde NHM) wesentliche Erkenntnisse zur Besiedlungsgeschichte des Inneren Salzkammerguts und der Mensch-Umeltbeziehung gewonnen. So konnte einerseits gezeigt werden, dass die prähistorischen Bergbaugesellschaften im Hallstätter Hochtal über eine hohe Resilienz gegenüber extremen Naturereignissen verfügten. Andererseits wurde deutlich, dass diese Gemeinschaften den durch ihren Ressourcenbdarf bedingten Umwelteingriff nachhaltig gestalteten (Festi et al. 2021).
Die Analysen an dem Bohrkern aus dem Moor geben auch sehr gute Anhaltspunkte über die Entwicklung der Salzproduktion über die letzten 6300 Jahre (Festi et al. 2021; Knierzinger et al. 2021). Doch soll auch der Beginn der Salzgewinnung festgestellt werden, die Betriebsphasen des Bergbaus über die letzten 7000 Jahre noch besser gefasst und das Ausmaß und die Häufigkeit der Rutschungen erforscht werden. Überdies wird darauf abgezielt, die Reaktionen auf diese Katastrophen zu verstehen.
Die Seekernbohrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass viele Antworten auf diese Fragen in den Ablagerungen am Seeboden gespeichert sind. Die Analysen an den erbohrten Seesedimenten im Rahmen des Facealps-Projekts haben Einblicke in die Klima- und Umweltgeschichte der letzten 2300 Jahre erbracht und den hohen Wert dieses Umweltarchivs verdeutlicht (Strasser et al. 2020). Mit dem Hipercorig-Projekt bauen wir auf diesen Forschungen auf und dringen um Jahrtausende tiefer in die Geschichte des Salzkammerguts vor.

Für die Unterstützung dieses Projekts bedanken wir uns im Besonderen bei den Österreichischen Bundesforsten, der Salinen Austria AG, der Salzwelten GmbH, den Gemeinden Hallstatt und Obertraun sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Universität Innsbruck und den Freunden des NHM Wien!

 

Projektleitung
M.Strasser (Univ. Innsbruck); K.Kowarik (NHMW), H.Reschreiter (NHMW), A.Brauer (GFZ Potsdam), F.Anselmetti (Univ. Bern), S.Fabbri (Univ. Bern)

Beteiligte Institutionen
Universität Innsbruck, Naturhistorisches Museum Wien, UWITEC, Geoforschungszentrum Potsdam, Universität Bern, Fraunhofer IEG, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Freunde des NHM Wien, Gemeinde Hallstatt, Salinen Austria AG, Salzwelten GmbH, Österreichische Bundesforste

 

Weiterführende Informationen

Projektwebseite der Universität Innsbruck: https://www.uibk.ac.at/geologie/sediment/research/projects/h3-project.html.en

Projektwebseite NHM Wien: https://www.nhm-wien.ac.at/forschung/praehistorie/forschungen/H3

Hallstattforschung Naturhistorisches Museum Wien: https://www.nhm-wien.ac.at/jart/prj3/nhm-resp/main.jart?rel=hallstatt_de&content-id=1397438416315

Stiegenblog: http://hallstatt-forschung.blogspot.com/

UNESCO österreichischer Welterbetag HALLSTATT: https://www.youtube.com/watch?v=Z1-AVV6XGxE

 

Bibliographie

Barth, F. E. & Reschreiter, H. 2019. Prähistorische Bergbauspuren im Kernverwässerungswerk des Salzbergwerkes Hallstatt. In: Kern, A., Grömer, K., Kowarik, K. & Reschreiter, H. (eds.): ArchOn Hallstatt 1 (Wien). https://www.nhm-wien.ac.at/en/publications/scientific_series/ArchOn/mining

Festi, D., Brandner, D., Grabner, M., Knierzinger, W., Reschreiter, H. & Kowarik, K. 2021. 3500 years of environmental sustainability in the large-scale alpine mining district of Hallstatt, Austria. Journal of Archaeological Science: Reports 35, 102670. https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2020.102670

Grabner, M., Wächter, E., Nicolussi, K., Bolka, M., Sormaz, T., Steier, P., Wild, E. M., Barth, F. E., Kern, A., Rudorfer, J., Kowarik, K., Stöllner, T., & Reschreiter, H. 2021. "Prehistoric salt mining in Hallstatt, Austria. New chronologies out of small wooden fragments."  Dendrochronologia 66:125814. https://doi.org/10.1016/j.dendro.2021.125814

Harms, U., Raschke, U., Schwalb, A., Anselmetti, F., Strasser, M., Wittig, V, Wessels, M., Schaller, S,. Fabbri, S., Niederreiter, R. 2020. HIPERCORIG – an innovative hydraulic coring system recovering (post-) glacial sediments from Lakes Mondsee and Constance. Scientific Drilling 28, pp. 29-41. https://doi.org/10.5194/sd-28-29-2020

Knierzinger, W., Festi, D., Limbeck, A., Horak, F., Brunnbauer, L., Drollinger, S., Wagreich, M., Huang, J-J. S, Strasser, M., Knorr, K-H., Reschreiter, H., Gier, S., Kofler, W., Herzig, C. & Kowarik, K. 2021. Multi-proxy analyses of a minerotrophic fen to reconstruct prehistoric periods of human activity associated with salt mining in the Hallstatt region (Austria). Journal of Archaeological Science: Reports 36, 102813. https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2020.102670

Kowarik, K., 2019. Hallstätter Beziehungsgeschichten. Wirtschaftsstrukturen und Umfeldbeziehungen der bronze- und ältereisenzeitlichen Salzbergbaue von Hallstatt/OÖ. (Mit Beiträgen von Michael Grabner, Julia Klammer, Konrad Mayer, Hans Reschreiter, Elisabeth Wächter und Georg Winner). Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich 50 (Linz).

Strasser, M., Berberich, T., Fabbri, S., J-J. S. Huang, Lauterbach, S., Ortler, M., Rechschriter, H., Brauer, A., Anselmetti, F., Kowarik, K., (2020). Geomorphology and event-stratigraphy of recent mass-movement processes in Lake Hallstatt (UNESCO World Heritage Cultural Landscape, Austria). Geological Society, London, Special Publications, 500. https://doi.org/10.1144/SP500-2019-178

 

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